Blutbad unter Huskys
Im kanadischen Wintersportort Whistler wurden 100 Schlittenhunde erschossen
Jörg Michel
WHISTLER. Der kanadische Wintersportort Whistler ist ein populäres Reiseziel: Vor einem Jahr trafen sich dort die besten Skifahrer der Welt zu den Olympischen Spielen. Millionen Touristen fahren dort Ski, gehen rodeln, laufen Eis - oder lassen sich von Hunden durch die tief verschneiten Wälder ziehen. Hundeschlittenfahren gehört in Whistler zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten.
Doch damit dürfte es nun erst mal vorbei sein. Die Ausflüge haben einen bitteren Beigeschmack bekommen. Wie erst jetzt bekannt wurde, war Whistler kurz nach den Spielen Schauplatz einer beispiellosen Tierquälerei. Nach der Abreise der Sportler und Besucher wurden in dem Ort etwa 100 Schlittenhunde grauenvoll massakriert - die Alaska-Huskys waren in der nacholympischen Besucherflaute schlicht überflüssig geworden.
Beispiellose Quälerei
"Es war wie in einem Horrorfilm", berichtete jetzt Marcie Moriarty von der kanadischen Tierschutzbehörde. "Ich habe schon viele schlimme Tierquälereien in meinem Leben gesehen. Aber die Vorkommnisse hier in Whistler waren wirklich beispiellos."
Es geschah zwei Monate nach Olympia im kleinen "Soo-Tal" etwa eine halbe Autostunde außerhalb von Whistler. Dort steht der Hundezwinger von "Outdoor Adventures", des nach eigenen Angaben größten Hundeschlittenanbieters in Nordamerika. Der Leiter des Zwingers wollte einen Teil der Hunde loswerden, nachdem die Touristen abgereist waren. Also buddelte er ein Massengrab und tötete 100 von insgesamt 300 Huskys durch Schüsse in den Kopf. Jetzt ermittelt die Polizei wegen Tierquälerei.
Bei der Aktion soll es nach Angaben der Behörden zu grauenvollen Szenen gekommen sein: Einige Hunde gerieten angesichts des Blutbades offenbar in Panik und griffen ihrerseits den Mann an. Mindestens einem Husky wurde die Kehle aufgeschlitzt, nachdem seinem Vollstrecker die Munition ausgegangen war. Einige Hunde überlebten die Schüsse zunächst und irrten minutenlang schwer verletzt durch die Gegend, bevor sie den Gnadenschuss bekamen. Andere lagen entstellt, aber bei vollem Bewusstsein im Massengrab. Manche von ihnen waren erst nach mehreren Schüssen tot. Bekannt wurden die grausamen Details überhaupt nur, weil sich der Leiter des Zwingers einen Monat nach der Tat bei den lokalen Arbeitsschutzbehörden als psychisch krank meldete. Dabei beschrieb er die Vorgänge genau. Sein Anwalt berichtete, der Mann sei ein Hundeliebhaber und nun verstört. Seine Vorgesetzten hätten ihn zu den Tötungen angewiesen. Er habe sie ausgeführt, um seinen Job zu behalten.
Nach Angaben des Anwalts hatte der Mann zunächst versucht, bei Familien am Ort eine neue Heimat für die Hunde zu finden, allerdings ohne Erfolg. Dann habe er einen Tierarzt gebeten, die Huskys einzuschläfern. Dieser habe sich geweigert, gesunde Hunde zu töten. Erst danach habe er sich zu der Massenerschießung entschlossen, weil er keine Lösung mehr gewusst habe.
Massengrab wird untersucht
Der Trekking-Anbieter räumte mittlerweile ein, von den Tötungen gewusst zu haben. Man sei aber davon ausgegangen, dass diese auf "humane, saubere und legale Art und Weise eingeschläfert" worden seien. Von den tatsächlichen Auswüchsen habe man erst jetzt erfahren; der Angestellte sei mittlerweile von seinen Aufgaben entbunden worden. In Kanada ist das Töten von Hunden legal, wenn sie per Spritze eingeschläfert oder mit einem gezielten Schuss getötet werden.
Nun aber wollen die Behörden das Massengrab nahe Whistler ausheben, um die genauen Umstände zu klären. Danach soll entschieden werden, ob und gegen wen Anklage erhoben wird. Das Fremdenverkehrsbüro von Whistler hat den Anbieter aus seinem Programm genommen.
Die Tierschutzgruppe "Humane Society" aus dem nahen Vancouver fordert nun ein Verbot aller Hundeschlittenfahrten. "Die Vorgänge in Whistler sind schockierend", erklärte deren Sprecher Peter Fricker. "Das passiert, wenn man Tiere nur aus Profitgründen züchtet und ausbeutet."
Kanadische Tierschützer beklagen sich schon länger über die Zustände im Hundeschlittengeschäft. Oft sind die Tiere ausgehungert und werden an extrem kurzen Leinen gehalten. Die Zwinger sind häufig verdreckt, manchmal werden die Tiere auch stundenlang in engen Käfigen durch die Gegend gekarrt. Touristen zahlen etwa 200 Dollar für eine zweistündige Tour.